Sand ins Getriebe

Wäre der Name nicht so kompliziert, die Finanztransaktionssteuer hätte durchaus das Zeug zum Wort des Jahres. Dabei gibt es die Idee schon seit 1972. Der amerikanische Ökonom James Tobin schlug damals vor, eine niedrig bemessene Steuer auf spekulative Devisengeschäfte einzuführen. Umgesetzt wurde diese Tobin-Steuer bisher nicht, ihr mittlerweile verstorbener Erfinder erhielt für seine Leistungen jedoch 1981 den Nobelpreis.

Globalisierungsgegner hatten die Steuer allerdings schnell favorisiert, die meisten Politiker gaben ihr jedoch keine Chance. Doch das hat sich nun geändert. Finanz- und Eurokrise mit ihren weitreichenden Folgen für die Realwirtschaft wurden vor allem durch Spekulanten ausgelöst, die nun für ihr Handeln belangt werden sollen. Und sei es nur durch eine Eindämmung ihrer zweifelhaften Geschäfte durch eine Extrasteuer.

Selbst die schwarz-gelbe Koalition hat sich nach langem Zögern nun für diese Steuer, die in ihrem finanziellen Umfang weit über die bisher geplante Bankenabgabe hinausgeht, ausgesprochen. Nun muss das Vorhaben auf internationaler Ebene durchgesetzt werden. Zumindest europaweit müsste dazu Einigkeit herrschen, vor allem Großbritannien sperrt sich momentan jedoch noch. Trotzdem sind die Chancen, dass Europa weltweit eine Vorreiterolle einnimmt, derzeit so hoch wie nie zuvor.

Für eine wirksame Finanzmarktsteuer treten vor allem die sozialdemokratischen Parteien ein. Diese planen bereits ein gemeinsames Referendum – ein solches europaweites Volksbegehren hat es bislang noch nicht gegeben. Doch die allgemeine Krisenstimmung und der immer stärker werdende Wille, endlich wirkungsvoll gegen die Finanzmarktspekulanten vorzugehen, scheint derzeit einiges möglich zu machen.

Die Rückkehr des Gordon Gekko

Gordon Gekko – wer den Film „Wall Street“ gesehen hat, der wird diesen Namen nicht vergessen haben. Der Schauspieler Michael Douglas stellte den Börsenspekulanten so eindrucksvoll dar, dass man als Zuschauer stets zwischen Bewunderung und Abscheu schwankte. Für seine Rolle erhielt er einen Oscar. Neben der Geschichte um die skrupellosen Spekulationen an der New Yorker Börse blieb vor allem eines der ersten Handys in Erinnerung, das je auf einer Leinwand präsentiert wurde. Es war so groß wie ein Ziegelstein – man schrieb das Jahr 1987.

Nun ist Gordon Gekko zurück. Die Fortsetzung „Wall Street – Geld schläft nicht“ wurde in diesen Tagen beim Filmfest in Cannes vorgestellt und soll Ende September in die Kinos kommen. Zwei Jahre nach dem Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers ist das Thema wohl aktueller als je zuvor: Hat sich Gekko, der eine lange Haftstrafe abgesessen hat, gewandelt oder will er sich erneut an den Finanzmärkten beweisen?

Der Film versucht diesmal, die Gier an den Börsen zu verurteilen. Dem ersten Teil wurde vorgeworfen, die Faszination um die Investmentbanker verstärkt zu haben. Es ist zu befürchten, dass viele Verursacher der aktuellen Finanzkrise in jungen Jahren den Streifen gesehen und sich Gekko als Vorbild genommen haben. Ob die moralische Widergutmachung gelingt, darf im Herbst auf den Kinoleinwänden verfolgt werden. Sicher ist nur: Das altmodische große Mobiltelefon hat auch wieder seinen Auftritt.

Kleine Verstärkung

Der Zeitpunkt ist nicht gerade passend. Europa befindet sich in der Krise, Griechenland steht vor dem finanziellen Abgrund, andere Länder könnten folgen. Die in den vergangenen Jahren so erfolgreiche Gemeinschaftswährung Euro verliert an Wert und wird teilweise sogar in Frage gestellt. Doch nun soll ein weiteres Land dem Währungsverbund beitreten.

Am 1. Januar 2011 kann der Euro in Estland eingeführt werden. Der kleine baltische Staat habe einen hohen Grad an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz erreicht und sei für die Einführung der Währung bereit, heißt es von Seiten der EU-Kommission. Die strengen wirtschaftlichen Kriterien wurden alle erfüllt, das Land steht trotz der weltweiten Finanzkrise solide da.

Kritik kommt von der Europäischen Zentralbank. Hier sorgt man sich vor allem um die Inflation. Da das Land weiterhin einen kräftigen wirtschaftlichen Aufholprozess vor sich hat, könnte die Teuerungsrate schnell und zu stark ansteigen. Eine EU-Vorgabe ist es aber, dass die Inflationsrate höchstens um 1,5 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der drei Staaten mit der niedrigsten Teuerungsrate liegen darf.

Die Wirtschaft in Estland ist allerdings schon stark mit dem Euro verbandelt, der Abschied der estnischen Krone zum Jahreswechsel wäre also folgerichtig. Nun müssen nur noch einige politische Gremien zustimmen, dann kommt der Euro sieben Jahre nach dem EU-Beitritt nach Estland. Die Balten dürfen stolz darauf sein, denn acht andere Staaten, darunter auch Polen und Schweden, sind in Sachen Euro-Kriterien vorerst durchgefallen.

Umschalten auf Reformen

„Tulpen aus Amsterdam“ – mit diesem Familienfilm möchte die ARD heute ihre Zuschauer beglücken. Alternativ dazu herrscht Krimizeit im ZDF. Bei 3sat wagt man einen Blick nach Westpreußen und Arte versucht es mit einer Tragikomödie. Ein ganz normales Freitagabendfernsehprogramm also bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Nicht berauschend, aber meist doch besser als bei der privaten Konkurrenz.

Doch ist das alles vor allem Geschmackssache. Und darüber lässt sich genauso gut streiten wie über die monatlich zu entrichtende GEZ-Gebühr von 17,98 Euro. Diese wird zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fällig und von den meisten Bürgern mehr oder weniger klaglos bezahlt. Einige sind davon befreit und nicht wenige versuchen, sich vor der Zahlung zu drücken. Das klappt aber langfristig nur bei einer kompletten Entsorgung von Fernsehgerät und Radio.

Nun hat sich der Verfassungsrechtler Paul Kirchhof zu Wort gemeldet. In einem von ARD und ZDF in Auftrag gegebenen Gutachten plädiert der „Professor aus Heidelberg“ statt umständlich einzutreibender Gebühren für eine einzige Abgabe pro Haushalt. Sicherlich ein vernünftiger Vorschlag, denn das momentane System ist spätestens mit dem Zeitalter des Internets und der von vielen Geräten abrufbaren Mediatheken überholt.

Kirchhof betont, dass die Höhe der Abgaben unter dem Strich gleich bleiben soll. Die Anzahl der Fernseher, Radios oder auch Computer wäre dann allerdings egal. Wirtschaftlich schwache Haushalte wären von der Abgabe befreit, für sie kämen die Sozialversicherungsträger auf. So könne das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender zukünftig werbefrei werden, lediglich bei Sportübertragungen wäre Sponsoring zugelassen. Hört sich soweit alles gut an – doch nun ist die Politik gefragt.

Schuld und Sühne

Traurige Berühmtheit erlangte der Öltanker „Exxon Valdez“ vor 21 Jahren. Das Schiff mit 160.000 Tonnen Öl und einem betrunkenen Kapitän an Bord rammte ein Riff vor Alaska und löste damit eine der größten Umweltkatastrophen aus. 40.000 Tonnen Rohöl flossen ins Meer, töteten hundertausende Tiere und verschmutzten die Küste – noch heute leidet die Region unter den Folgen.

Erinnerungen an das schlimme Unglück werden sofort wach, wenn man in diesen Tagen die Bilder aus dem Golf von Mexiko sieht. Dort ist die Ölplattform „Deepwater Horizon“ gesunken, täglich laufen mehr als 700 Tonnen Öl aus und bedrohen Ökosysteme wie das Mississippi-Delta. Und niemand weiß, wann die drei Lecks gestopft werden können.

Der amerikanische Präsident Barack Obama will nun den Ölkonzern British Petroleum (BP) in die Verantwortung nehmen. 65 Prozent der Bohrinsel gehören dem britischen Unternehmen. Dessen Aktienkurs verlor seit dem Unglück ein Fünftel an Wert – rund 35 Milliarden Dollar. Eine gigantische Summe, auch wenn der BP-Chef Tony Hayward bereits die Übernahme aller entstehenden Kosten zugesichert hat.

Zum Vergleich: Der Ölmulti Exxon hat die Entschädigungssumme für die Verschmutzung der Küste Südalaskas vor Gericht immer weiter drücken können und letztendlich nur etwa eine Milliarde Dollar gezahlt. Blanker Zynismus vor allem für die Bewohner der betroffenen Küstenlandschaften, besonders beim Blick auf die jüngsten Ertragszahlen: In den ersten drei Monaten erwirtschafteten sowohl Exxon als auch BP einen Gewinn von über sechs Milliarden Dollar.

Abgehängte Finnen

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Was in der Politik schon oft bewiesen wurde, gilt noch mehr für die Wirtschaft. Frühes Handeln sichert hier die größten Umsätze und die besten Gewinnmargen. Besonders gut zu beobachten auf dem Handy-Markt mit dem Aufkommen der Smartphones. Erst gab es dort das Blackberry des Unternehmens Research In Motion, das sich zügig vor allem unter Managern verbreitete.

Dann folgte Apples iPhone, welches schnell massentauglich und noch erfolgreicher wurde. Doch wo Gewinner sind, gibt es immer auch Verlierer. In diesem Fall ist es ein großes Unternehmen aus Finnland, das vor zehn Jahren noch auf der Sonnenseite stand. Ein Handy von Nokia war ein Muss, wenn man hipp und auf der Höhe der Zeit sein wollte. Der Weltmarktführer war der Konkurrenz technisch weit überlegen, versäumte es aber, seinen Vorsprung weiter auszubauen.

Die neue Entwicklung hin zum mobilen Internet wurde verpasst, die einst stolze Marke verkommt mehr und mehr zu einer Billigvariante des Handys. Auch beim mittlerweile schon fast obligatorischen Touchscreen hat der Konzern den technischen Anschluss und damit seinen einst exzellenten Ruf verloren. Obwohl Nokia noch immer Gewinne erwirtschaftet, brach der Aktienkurs nach Veröffentlichung der jüngsten Zahlen dramatisch ein. Kein Wunder, denn die Zukunftsprognosen für die Finnen sind so düster wie eine lange Dezembernacht in Helsinki.

Abgehoben und abgekoppelt

Da braut sich schon wieder was zusammen an der Börse. Deutlich und stetig bergauf ging es mit den Aktien in den vergangenen Tagen. Sogar das Wort Kursrally taucht wieder in den Medien auf. Der Dax schloss heute mit 6332 Punkten – so hoch stand der Index seit September 2008 nicht mehr. Nur zur Erinnerung: In dem Monat brach die US-Bank Lehman Brothers zusammen, schickte die Börsen weltweit auf Talfahrt und riss auch die reale Wirtschaft mit.

Mittlerweile zeigen sich weltweit zwar vermehrt Erholungstendenzen. So vermeldet China bereits wieder zweistellige Wachstumsraten, in den USA häufen sich Firmenfusionen und Übernahmen – meist ein Zeichen für eine rund laufende Wirtschaft. Doch ist die Gefahr eines erneuten Absturzes wirklich gebannt?

Die Risiken sind hoch: Die Schuldenkrise in der Euro-Zone ist lange noch nicht ausgestanden, dem griechischen Desaster könnten einige andere Länder folgen. Und in den USA nimmt die Lage auf dem Markt für Gewerbeimmobilien bedrohliche Formen an, die an die Hypothekenkrise vor zwei Jahren erinnert. An den Börsen weiß man das alles, doch die Kurse halten sich bekanntermaßen nicht immer an die Realität. Zu viele Gewinne wurden in den vergangenen Wochen gemacht, jetzt will plötzlich wieder jeder so viel mitnehmen wie möglich – doch wie lange geht das noch gut?

Bleibt alles anders

Der Mittelstand wurde von der Finanzkrise besonders heftig getroffen. Starke Umsatz- und Gewinneinbrüche, aber auch Schwierigkeiten in der Finanzierung belasteten das Geschäft der Unternehmen, die gemeinhin als Stütze der deutschen Wirtschaft angesehen werden. Die Commerzbank, die mit einem jährlichen Kreditvolumen von 130 Milliarden Euro als größter Mittelstandsfinanzierer des Landes gilt, hat sich daher den für viele Finanzinstitute wichtigen Kundenstamm genauer angesehen.

In der heute in Frankfurt am Main und an anderen Orten vorgestellten Studie „Mittelstand in der Krise – Umsteuern für den Aufschwung?“ befragte die Bank bundesweit rund 4000 mittelständische Unternehmen. Ein wichtiges Ergebnis: 62 Prozent der befragten Unternehmen nehmen die Krise nicht zum Anlass, ihre Strategie zu ändern. Das Geschäftsmodell bleibt also bestehen und kommt nicht auf den Prüfstand.

Mut zur Veränderung zeigt immerhin ein gutes Drittel der Unternehmen, vor allem die Branchen Chemie, Pharma, Maschinenbau, IT und Telekommunikation sind dazu bereit. Stattdessen wollen die meisten Mittelständler laut Studie weiter ihre Kosten senken, Preiskürzungen bei Zulieferern stehen ganz oben auf der Sparliste. Bei den Personalkosten soll dagegen weniger gekürzt werden – wahrscheinlich das richtige vorausschauende Verhalten ob des Fachkräftemangels.

Nicht gefragt wurde in der Studie übrigens nach möglichen Finanzierungsschwierigkeiten im Mittelstand. Doch eine so genannte Kreditklemme, über die in den vergangenen Monaten viel diskutiert wurde, soll es nach Bankerangaben ja auch gar nicht geben.

Hilf! Dir! Selbst!

Eyjafjallajökull hat Europa noch immer im Griff. Der isländische Vulkan stößt weiter seine Asche aus, die auf den Kontinent zutreibt. Die giftige Wolke, die vor allem den Luftverkehr gefährdet, wird zwar mittlerweile kleiner, doch die Gefahr ist nicht gebannt. Seit Tagen stehen die Flieger still, zigtausende Reisende hängen auf Flughäfen fest, Urlaube werden storniert und Geschäftstermine platzen.

Für viele ist das aber auch ein Moment der Ruhe und des Nachdenkens. Wie abhängig sind wir von der Technik? Und wie hilflos gegenüber solch unberechenbaren Naturgewalten? Für andere stehen dagegen die nackten Zahlen im Vordergrund. Die Ausfälle für die Volkswirtschaft im Allgemeinen und für die Konzerne im Speziellen werden rasch errechnet. Natürlich immer verbunden mit der Forderung, den Luftraum wieder frei zu geben – so schlimm werde es schon nicht sein.

Was völlig fehlt, ist ein schlüssiges Konzept, wie es weitergehen soll, wenn der Vulkan noch länger seine große Giftwolke produziert. Dieser Zustand kann nämlich Monate andauern. Oder aber der wesentlich größere Nachbarvulkan Katla bricht aus. Viele Experten würde es nicht überraschen, wenn er genauso wie vor knapp 200 Jahren von seinem kleinen Bruder angesteckt wird.

Die Folgen für Europa wären dann womöglich wesentlich schlimmer als momentan. Doch daran denken die Zahlenmenschen nicht. Sie fordern stattdessen die schnellstmögliche Rückkehr zum alten (gewinnbringenden) Zustand. Die unterwegs gestrandeten Menschen helfen sich derweil lieber selbst. Unzählige spontane Fahrgemeinschaften sind bereits entstanden – den oft geschmähten sozialen Netzwerken Twitter und Facebook sei Dank.

Über den Wolken

In einem Song des Liedermachers Reinhard Mey heißt es, dass die Freiheit über den Wolken wohl grenzenlos sei. Dies trifft in diesen Tagen in einem ganz besonderen Maß auf Nordeuropa zu, denn der Flugverkehr ist zum Großteil eingestellt. Ein Vulkanausbruch auf Island hat eine solch starke Aschewolke in die Luft gepustet, dass Flugzeuge aus Sicherheitsgründen bis auf weiteres nicht mehr starten dürfen.

Das Flugverbot macht sich mittlerweile überall bemerkbar, nicht nur bei den direkt Betroffenen wie am Flughafen festsitzenden Urlaubern oder Bundeskanzlerin Angela Merkel, deren Rückflug aus den USA statt nach Berlin nur bis Lissabon ging. Überfüllte Züge, belagerte Autovermieter, volle Hotels, liegen bleibende Pakete, abgesagte Tagungen und verschobene Konzerte sind die Folgen. Die Abhängigkeit vom Flugverkehr wird schon nach einem Tag Stillstand jedem deutlich.

Die Börse spielt natürlich auch mit, die Aktien der großen Fluggesellschaften haben bereits deutlich verloren, den Konzernen drohen hohe Millioneneinbußen. Auch ein geplanter Streik deutscher Fluglosten wurde vorsorglich verschoben. Kein Wunder, wo keine Flugzeuge starten oder landen dürfen, gibt es auch wenig zu bestreiken.

Doch es gibt auch Profiteure der Situation: Menschen, die direkt an den Einflugschneisen großer Flughäfen leben oder arbeiten, freuen sich über eine ungewohnte Ruhe. Und Flugreisende in Köln, welche die Stadt nicht verlassen können, dürfen sich heute zum Trost kostenlos das Fußballspiel in der Bundesliga der heimischen Geißböcke gegen den VfL Bochum anschauen.