Verraten und verkauft

Der FC Liverpool ist mit 18 Meisterschaften englischer Rekordmeister – und einer der beliebtesten Fußballclubs Europas. Vor fünf Jahren gewannen die „Reds“ in einem spektakulären Finale gegen den AC Mailand die Champions League. Seitdem ging es bergab, beschleunigt in dieser Saison. Nach sieben Spieltagen liegt die Mannschaft von der „Anfield Road“ auf Platz 18, einem Abstiegsrang. Erst ein einziger Sieg, dazu das blamable Ausscheiden im Pokal zu Hause gegen den Viertligisten Northampton Town.

Doch nicht nur die sportliche Misere bereitet den Anhängern Sorgen. Auch finanziell sieht es seit der Übernahme von zwei US-Investoren im Jahr 2007 schlecht aus, die Schulden belaufen sich mittlerweile auf 280 Millionen Euro. Es droht sogar die Insolvenz und damit die Übernahme durch die Hauptgläubiger, der Royal Bank of Scotland. Ein Institut, das sich nach der Finanzkrise in Staatsbesitz befindet – ein Schicksal, das dem FC Liverpool nun kurioserweise auch blüht.

Jetzt hat der Aufsichtsrat jedoch vermeldet, dass der Traditionsclub für knapp 350 Millionen Euro an die amerikanische Gruppe „New England Sport Ventures“ verkauft wird. Ob damit die Wende erreicht wird, ist fraglich – nach dem letzten Heimspiel protestierten ob der desolaten Situation bereits 10.000 Fans. Zumindest sportlich könnten die Anhänger schon bald versöhnt werden: im nächsten Spiel tritt Liverpool im Derby beim Erzrivalen FC Everton an. Dort muss unbedingt ein Sieg her.

Alles auf Zucker?

Kürzlich beschäftigte sich dieser Blog mit dem Foodwatch-Gründer Thilo Bode und seinen Vorwürfen gegen die Lebensmittelindustrie. Zu den kritisierten Personen gehörte auch Peter Brabeck-Letmathe, Verwaltungsratsvorsitzender der Nestlé Group, des mächtigsten Lebensmittelherstellers der Welt. Seit mehr als 40 Jahren ist der gebürtige Österreicher für den Schweizer Konzern tätig.

Vor dem Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten hatte er nun Gelegenheit, auf die Kritik zu reagieren. Doch seine Verteidigung fällt unerwartet lasch aus: Überzuckerte Nahrungsmittel wie Frühstücksflocken? Nestlé habe Zucker in den vergangenen Jahren reduziert, er verstehe die Aufregung nicht, früher habe doch auch jedes Kind seinen Traubenzucker bekommen. Gerne hätte man hier die Reaktion des Verbraucherschützers Bode gesehen.

Doch immerhin, Brabeck-Letmathe gibt zu, dass Nestlé mittlerweile eine Beratungsgruppe gegründet hat, der auch wichtige Kritikerverbände angehören. Viel spannender erscheint ihm aber das Thema „Medical Food“. Um Lebensmittel zu entwickeln, die angeblich vorbeugend oder sogar heilend auf Krankheiten wie Diabetes oder Alzheimer wirken, hat der Nestlé-Konzern die Tochtergesellschaft „Nestlé Health Science“ gegründet.

Diese sei vom Risikoprofil eher mit einem Pharmakonzern vergleichbar als mit einem Lebensmittelhersteller. Die Vertriebswege seien anders und wie bei Medikamenten üblich könne die Zulassung mehrere Jahre dauern, berichtet Brabeck-Letmathe. Sein Konzern beschreitet also neue Wege. Vielleicht, weil er sich „verantwortlich fühlt für die Lebensbedingungen aller Menschen dieser Welt“, wie es in einem Buch über den Manager heißt. Ganz sicher aber, um den stark wachsenden Markt „Medical Food“ zu erschließen.

Soli und kein Ende

Am 3. Oktober 1990 vollzog sich die deutsche Einheit durch den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland. Vorausgegangen waren damals friedliche Proteste der DDR-Bevölkerung. Diese werden heute in zahlreichen Politikerreden gelobt und gewürdigt – und das in Zeiten, in denen Demonstrationen gegen ein umstrittenes Bauvorhaben in Stuttgart mit staatlicher Gewalt bekämpft werden.

Die Zeiten ändern sich also. Das beweist auch eine Sonderpublikation des Statistischen Bundesamtes mit dem Namen „20 Jahre Deutsche Einheit – Wunsch oder Wirklichkeit“ . Zu den interessanten Ergebnissen dieser Veröffentlichung gehört, dass die Bevölkerungszahl in den nicht mehr ganz so „neuen“ Ländern seit 1990 um 1,7 Millionen Menschen zurück gegangen ist. Eine stetige Wanderung in Richtung Westen, die ohne Ausnahme in jedem Jahr zu verzeichnen war.

20 Jahre besteht bald auch der Solidaritätszuschlag. Eingeführt wurde er 1991, um die Kosten der Einheit aufzufangen. Seitdem müssen die Bürger dieses Landes – mit Ausnahmen 1993 und 1994 – jedes Jahr bis zu 5,5 Prozent ihrer Lohnsteuer dafür berappen. Doch die Einnahmen des Bundes von derzeit insgesamt mehr als zehn Milliarden Euro pro Jahr sind in Wahrheit gar nicht zweckgebunden.

Eine Beendigung dieses Etikettenschwindels ist also wünschenswert. Politische Diskussionen und gerichtliche Auseinandersetzungen gibt es diesbezüglich schon lange. Eine Abschaffung scheint wegen der angespannten Haushaltslage derzeit nicht durchsetzbar, doch vielleicht eine Umbenennung? Gäbe es zur 25jährigen Einheitsfeier keinen „Soli“ mehr, wäre dies für das Zusammenwachsen des Landes gewiss förderlich.

Geheimnis um…

Er gehört zu den einflussreichsten Personen der deutschen Wirtschaftswelt. Und darum scheut er die Öffentlichkeit. Ein Auftritt vor einer versammelten Medienschar scheint nahezu undenkbar. Doch nun hat er eine Ausnahme gemacht und einen Vortrag vor dem Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten gehalten: Alexander Dibelius, bei der bekannten amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs unter anderem als Geschäftsführer für Deutschland zuständig.

Ein Mann, der bestens vernetzt ist bei Vorstandsvorsitzenden großer Konzerne und bei wichtigen Politikern. Gibt es hierzulande eine maßgebliche Firmenfusion oder geht es darum, eine Übernahme zu verhindern, dann haben er und seine Mannen meistens ihre Finger im Spiel. Dabei versteht er sich und seine Bank immer nur als Dienstleister, der Angebot und Nachfrage zueinander bringt und notfalls auch mal den Preis für eine Übernahme treibt.

Wie er das macht, darüber möchte er nichts in den Medien lesen. Geschäftsgeheimnis. Nur so viel: Viele Unternehmen handeln nach seiner Ansicht genau falsch, indem sie Übernahmen durchziehen, wenn es der Wirtschaft gut geht und die Preise hoch sind. Kaum einer wage es hingegen, hier einmal antizyklisch zu handeln.

Aktuell befindet sich Dibelius wieder in einer Abwehrschlacht. Es geht um die geplante Übernahme des Baukonzerns Hochtief durch den spanischen Konkurrenten ACS. Dass Goldman Sachs dieses Mandat hat, ist nach entsprechenden Medienberichten kein Geheimnis mehr. Mehr dürfe er dazu aber nicht sagen, beendet der Strippenzieher seine Ausführungen und verlässt ohne große Verabschiedung den Saal. Offenbar unter Zeitdruck und ein wenig geheimnisumwittert – so wie es das Klischee seines Berufstandes verlangt.

Kein zurück

Der Videorekorder ist seit einem Jahr kaputt und längst entsorgt. Vermisst wird er nicht, denn die Lieblingsfilme sind mittlerweile auf DVD vorhanden, viele schöne Konzerte sowieso. Und Fernsehsendungen muss auch keiner mehr „auf Video aufnehmen“, denn sie sind zum Großteil zeitversetzt in den Mediatheken der einzelnen Sender abrufbar. Zeit, sich auch von den alten Videokassetten zu trennen – aus dem digitalen Zeitalter gibt es keinen Weg zurück.

Da verwundert diese Meldung aus den USA nicht: Blockbuster, der dortige Marktführer für Videotheken, muss wegen Schulden in Milliardenhöhe Insolvenz anmelden. 5000 Filialen besitzt der Konzern weltweit, doch der Anschluss an die moderne Technik wurde weitgehend verpasst. Selbst der Verleih von DVDs und Blu-ray-Discs konnte die Verluste nicht mehr auffangen. Die Kraft des Internets ist einfach zu stark.

In Deutschland ist die Krise ebenso deutlich zu spüren, mehr als 1000 Videotheken wurden in den vergangenen Jahren bereits geschlossen. Hoffnung machen jedoch internetfähige Fernsehgeräte, die in Zukunft den Markt erobern sollen. Die dadurch mögliche Ausleihe von Filmen und Spielen per Breitband-Internet soll zumindest Teile der Branche retten. Sicher ist dabei allerdings, dass die Videotheken bald ganz aus dem Straßenbild verschwinden werden – sie verlagern sich ins heimische Wohnzimmer.

Haushalts- und Schlaglöcher

Wenn die Straße vor der eigenen Haustür noch immer tiefe Schlaglöcher als Folge des harten Winters aufweist, wenn die Schwimmhalle um die Ecke plötzlich geschlossen wird und wenn die Gebühren für den Kindergarten schon wieder deutlich erhöht wurden, dann gibt es für das alles zusammen wahrscheinlich nur einen einzigen Grund: die klamme Finanzlage der Kommunen.

Dass es um die Situation der Gemeindehaushalte nicht besonders gut bestellt ist, zeigen die heute veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Im ersten Halbjahr 2010 lag das Finanzierungsdefizit der Gemeinden und Gemeindeverbände (ohne Stadtstaaten) in Deutschland bei 7,8 Milliarden Euro. Das ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum fast eine Verdoppelung. Schuld daran sind vor allem die Ausgaben, die um mehr als vier Prozent auf insgesamt 84,7 Milliarden Euro stiegen, während die Einnahmen nahezu konstant bei 76,8 Milliarden Euro verharrten.

Der Aufschwung, der die hiesige Wirtschaft nach dem Einbruch 2009 wieder beflügelt hat, ist also noch nicht bei den Kommunen angekommen. Für das Gesamtjahr wird sogar ein Rekorddefizit von etwa 15 Milliarden Euro erwartet. Begründet wird dies jedoch nicht nur mit den Folgen der Finanzkrise, sondern auch mit einer fast chronischen Unterfinanzierung.

Nicht vergessen werden sollte dabei allerdings, warum die Ausgaben unter anderem so stark gestiegen sind. Neben erhöhten Geldern für Soziales, Personal und Zinsen legten auch die Bauausgaben um rund ein Fünftel zu. Bei dieser Steigerung jedoch handelt es sich zum Großteil um die Umsetzung des Konjunkturpakets – angedacht zur Belebung der Wirtschaft nach der Krise.

Ab die Post

Es gab Zeiten, da war das Geschäft mit Privatkunden und eher geringen Renditen für die Bankkonzerne nicht sonderlich attraktiv – das große Geld wurde vor allem im Investmentbanking gemacht. Doch diese Einstellung hat sich geändert, aktuell gut zu beobachten bei der Deutschen Bank. Das größte heimische Finanzinstitut will die Postbank, an der es schon knapp ein Drittel besaß, jetzt mehrheitlich übernehmen.

Hauptgrund sind die ungefähr 14 Millionen Kunden der Postbank. Diese Masse sei laut Konzernchef Josef Ackermann „strategisch attraktiv“. Für den Sinneswandel ist die Deutsche Bank nun bereit, mehr als sieben Milliarden Euro zu zahlen – finanziert über eine Kapitalerhöhung. Bei den Anlegern kam diese Nachricht nicht gut an, der Aktienkurs verlor. Vor einiger Zeit hatte die Deutsche Bank bereits die kleineren Institute Norisbank und Berliner Bank geschluckt.

Ziel der Übernahmen dürfte es sein, Stabilität in das bislang oft stark schwankende Ertragsgeschäft zu bringen. Auch gewisse Synergieeffekte dürften nicht ausbleiben, ein Personalabbau ist daher zu befürchten. Die Marke Postbank soll zwar erhalten bleiben, doch für die treuen Kunden könnte sich dauerhaft einiges ändern. War das Portfolio der Bonner Bank mit ihren mehr als 1000 Filialen bisher eher übersichtlich, drohen nun auch Finanzprodukte, die nicht immer gleich auf den ersten Blick zu durchschauen sind.

Keine Angst vor Basel III

Unter den meisten Bankern war die Furcht groß. Die neuen Eigenkapitalregeln der „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“ (BIZ) sollten die schlechten Erfahrungen aus der Finanzkrise berücksichtigen – weitaus härtere Vorschriften als bislang wurden unter dem Schlagwort „Basel III“ erwartet, benannt nach dem Sitz der BIZ in der drittgrößten Schweizer Stadt. Doch es kam in dieser Woche nur halb so schlimm wie gedacht, die Aktien der Finanzinstitute legten zum Teil kräftig zu.

Die Vorschriften fallen zwar strenger aus, werden jedoch in den nächsten Jahren erst einmal schrittweise eingeführt. Ziel der neuen Regeln ist es, dass der Staat bei Liquiditätsproblemen von Banken wie in der Finanzkrise nicht wieder als Helfer einspringen muss. Diese Praxis hatte den Steuerzahler in jüngster Vergangenheit Milliardenbeträge gekostet. Im Zuge der Finanzmarktreform soll dies nun weitgehend verhindert werden, indem Banken ab dem Jahr 2013 stufenweise mehr Eigenkapital vorhalten müssen.

Überwiegend positiv wurden die neuen Regeln vor allem deshalb aufgenommen, da sie den konjunkturellen Aufschwung voraussichtlich nicht – wie zuvor von vielen befürchtet – hemmen werden. Kritiker sehen in dieser Hinsicht jedoch weiterhin Gefahren, vor allem bei der erschwerten Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen. Beim nächsten Treffen von politischen Vertretern der 20 größten Industrienationen sollen die Regeln konkretisiert und umgesetzt werden. Es bleibt zu hoffen, dass dies in allen Ländern ohne Ausnahme geschieht.

Die Zombie-Bank

Vor ziemlich genau zwei Jahren häuften sich die Hiobsbotschaften aus der Bankenwelt. Ausgehend von der Hypothekenkrise in den USA und dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers gerieten nach und nach viele Finanzinstitute unter Druck, und zwar weltweit. Die meisten von ihnen konnten durch staatliche Rettungsaktionen gestützt werden. Einem Großteil der Geldhäuser geht es mittlerweile wieder gut, es werden vermehrt schwarze Zahlen geschrieben und fleißig Boni verteilt.

Nicht so jedoch beim deutschen Sorgenkind, dem Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE). Das im Jahr 2009 als erste bundesdeutsche Bank verstaatlichte Kriseninstitut schien dank Garantien in dreistelliger Milliardenhöhe schon auf dem Wege der Besserung, mit einer ausgetauschten Führungsspitze sollte der Neuanfang gelingen. Doch nun der Rückschlag: Laut Medieninformationen drohte zum Monatsende die Insolvenz.

Wieder musste der Staat eingreifen. Mit 40 Milliarden Euro Bürgschaften rettete der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) die angeschlagene Bank – vorerst. Doch das Geschäftsmodell des Konzerns scheint nicht mehr richtig zu funktionieren, die neuerlichen finanziellen Belastungen für den gebeutelten Steuerzahler sind für viele nicht mehr zumutbar. Ein Ende der HRE-Krise ist also nicht in Sicht – jüngst bezeichnete ein Politiker die Hype Real Estate sogar als „Zombie-Bank“.

Reise in die Zukunft

Die internationale Seeschifffahrt eignet sich gut als Konjunkturbarometer. 90 Prozent des globalen Handels werden auf dem Seewege transportiert. Leere Containerschiffe und sinkende Frachtraten verkündeten schon früh die Wirtschaftskrise, mittlerweile sieht es in den Häfen wieder besser aus. Dementsprechend gut ist auch die Stimmung auf der derzeit in Hamburg stattfindenden Schiffbaumesse „Shipbuilding, Machinery & Marine Technology“. Doch wie wird es um die Schifffahrt in 20 Jahren stehen? Der finnische Hersteller von Schiffsmotoren Wärtsilä hat anlässlich der Messe drei interessante Szenarien entworfen.

Im ersten Szenario „Rough Seas“ sind die Ressourcen knapp geworden, weltweit gibt es soziale Spannungen. Regierungen kontrollieren die Häfen, bewaffnete Eskorten begleiten die Schiffe. Das Szenario „Yellow River“ sieht China als alles dominierendes Land. Arbeits- und ressourcenintensive Produktion hat sich nach Afrika und in andere asiatische Staaten verlagert, dort entstehen neue Häfen. Globale Konzerne und Megastädte prägen das dritte Szenario „Open Oceans“. Diese haben die Macht über die Nationalstaaten gewonnen. Güter wie sauberes Wasser, Nahrungsmittel und Energie werden zwischen den Städten hin und her transportiert. Massive Umweltprobleme haben darüber hinaus zur Entwicklung von Entsalzungs-, Abfallmanagement- und Recyclingschiffen geführt.

Alle drei Szenarien sind durchaus vorstellbar. In 20 Jahren, vielleicht schon in zehn oder erst in 30 Jahren. Und vielleicht auch als eine Mischung aus allen drei Zukunftsvisionen. Für Unternehmen aus der Branche, aber auch die Politik, sind sie auf jeden Fall Denkanstöße. Strategisches Handeln ist gefragt, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. Bei Politikern auch gerne über die laufende Legislaturperiode hinaus.