Alle Jahre wieder

Darauf ist Verlass wie auf das Amen in der Kirche: Jedes Jahr gegen Weihnachten wird eine Meldung der Bundesbank an die Presse geschickt, deren Inhalt zusammengefasst aus dieser einen Information besteht: Die Deutschen besitzen noch immer einige Milliarden D-Mark der alten Währung. Eine Auskunft, die von den Medien in einer meist nachrichtenarmen Zeit stets dankbar aufgegriffen wird.

Immer kommt dann das Wort „horten“ vor und gerne wird von dunklen Kellern, alten Koffern, Matratzen und Sparstrümpfen gesprochen. Und gerne auch von Nostalgie. Als hätte jeder Deutsche noch einige Scheine und Münzen versteckt, weil er sich an deren schieren Anblick erfreut. Liebe Bundesbank, vielleicht ist das meiste Geld aber auch einfach weg? Verloren, verbrannt, vergammelt. Von „horten“ kann jedenfalls nicht die Rede sein.

Immer gibt es in dieser Meldung auch den Hinweis, dass man die D-Mark weiterhin in Euro umtauschen kann. Und das passiert tatsächlich: Wurden 2010 insgesamt 13,45 Milliarden D-Mark von der Bundesbank vermisst, so waren es vor einem Jahr sogar noch 13,61 Milliarden D-Mark. Wenn die Rückgabe also weiter in solch kleinen Schritten erfolgt, wird uns diese Meldung noch 84 Jahre verfolgen. Ob es im Jahr 2094 aber noch den Euro gibt? Oder wird der dann aus nostalgischen Gründen bereits gehortet?

Paradox optimistisch

Während Europa unter einer gewaltigen Schuldenlast leidet, die nach Ansicht vieler Experten sogar die gemeinsame Währungsunion gefährden könnte, erreicht die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ungeahnte Höhen. Zumindest, wenn man den 7000 Managern glaubt, die monatlich befragt werden, um den ifo-Geschäftsklimaindex des Instituts für Wirtschaftsforschung zu errechnen.

Nachdem der Index in diesem Jahr bereits mehrfach deutlich gestiegen war, erreichte er im Monat Dezember für die gewerbliche Wirtschaft einen neuen Rekordstand. Laut ifo-Institut sind dafür neben dem vermehrten Export vor allem die wieder gestiegenen Investitionen verantwortlich. Perspektivisch zeichne sich auch eine Verbesserung beim Konsum ab. Im verarbeitenden Gewerbe sei zudem geplant, weiteres Personal einzustellen, heißt es in der ifo-Mitteilung.

Mit 109,9 Punkten liegt das seit fast 40 Jahren monatlich erstellte Konjunkturfrühbarometer auf dem höchsten Stand seit dem Jahr 1991 – dem Beginn für die gesamtdeutschen Statistik. Vor allem der Einzelhandel befindet sich derzeit auf einer Euphoriewelle. Fraglich ist, wie lange die Hochstimmung in der deutschen Wirtschaft noch anhalten wird. Die dunklen Wolken über der Euro-Zone sollten so langsam für ein wenig mehr Realismus in der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage sorgen. Das böse Erwachen könnte ansonsten umso heftiger ausfallen.

Die Kluft wächst

Ist Deutschland ein Niedriglohnland? Vor einigen Jahren hätte man diese Frage sicherlich deutlich verneint. Doch mittlerweile arbeitet hierzulande bereits ein großer Teil der Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor. Und die Zeit der großen Tariferhöhungen ist auch schon lange vorbei. Die Folgen sind deutlich erkennbar: Das Land ist hervorragend aus der Wirtschaftskrise gekommen und steht besser als die meisten anderen europäischen Länder, wird von diesen aber für die Niedriglohnpolitik heftig kritisiert.

Diese Entwicklung belegt nun eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI). Demnach ist der Anteil der Gewinn- und Kapitaleinkommen am Volkseinkommen erneut deutlich gestiegen, während der Anteil der Lohneinkommen weiter sinkt. Damit setze sich der langjährige einseitige Verteilungstrend in Deutschland nicht nur fort, er werde durch das Sparpaket und die geplante Gesundheitsreform sogar weiter verschärft, heißt es in der Untersuchung.

Die Verfasser der Studie befürchten deshalb langfristig Belastungen für die private Konsumnachfrage und damit auch das Wirtschaftswachstum. Die Einkommen aus Kapital wachsen deutlich schneller als das Lohneinkommen. Wenn diese Ungleichheit weiter zunehme, destabilisiere das Wirtschaft und Gesellschaft, warnen die Autoren des WSI-Verteilungsberichts.

Vor diesem Hintergrund könnten Mindestlöhne helfen, die Bilanz wieder anzugleichen. Und das hätte dann auch einen positiven Effekt auf die Sozialkassen. Denn jährlich müssen hohe Milliardenbeträge aus Steuergeldern nur dafür aufgewendet werden, die Einkommen von Niedriglöhnern aufzustocken, damit diese wenigstens noch Hartz-IV-Niveau erreichen.

Im Weihnachtsstress

Fast schon vergessen ist die umstrittene Umweltprämie zugunsten der Automobilindustrie, von den meisten Medien passenderweise „Abwrackprämie“ genannt. Im Krisenjahr 2009 verhinderte diese womöglich ein Desaster für die deutsche Autobranche. Doch diese Zeiten sind längst vergessen, die heimischen Pkw-Hersteller strotzen seit einigen Monaten wieder vor Selbstbewusstsein und melden herausragende Absatzzahlen.

Der Verband der Automobilindustrie (VdA) erwartet für das kommende Jahr beim Pkw-Export sogar neue Rekorde. Während es in Deutschland Tendenzen gibt, dass das Auto in seiner Bedeutung als Statussymbol verlieren könnte, ist die weltweite Nachfrage nach dem Fortbewegungsmittel ungebrochen. Davon profitieren neben China auch die deutschen Konzerne. In diesem Jahr werden die Exporte um mehr als ein Fünftel steigen.

Ein kurzer Blick zurück: Im zweiten Quartal des Jahres 2009 war die Kapazitätsauslastung der deutschen Automobilindustrie laut VdA auf 62 Prozent gesunken. Mittlerweile liegt sie bei den Herstellern schon wieder bei 87 Prozent. Und der Auftragseingang steigt weiter – mit für einige Beschäftigte unerwünschten Folgen: Die traditionellen Werksferien zwischen Weihnachten und Neujahr fallen in diesem Jahr in vielen Betrieben wegen der boomenden Nachfrage geringer oder ganz aus.

Kopf des Jahres

Seit 1927 wählt das Nachrichtenmagazin „Time“ regelmäßig zum Jahresende die „Person des Jahres“. Vor zwölf Monaten war dies der US-Notenbankpräsident Ben Bernanke, zuvor wurden der amerikanische Präsident Barack Obama und das politische Oberhaupt Russlands, Wladimir Putin, gekürt. In diesem Jahr kommt eigentlich nur einer für die Auswahl in Frage, eine Person, die seit Monaten mit zunehmender Tendenz weltweit Schlagzeilen macht: Julian Assange.

Mit seiner Enthüllungsplattform Wikileaks wirbelte der gebürtige Australier zuletzt die Diplomatenwelt gehörig durcheinander. Der politische Aktivist bekam bereits zahlreiche Preise, wird aber zugleich von den Behörden mehrerer Länder gesucht. Heute wurde Assange in London wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs festgenommen. Dieser könnte jedoch auch Teil einer Kampagne gegen ihn sein.

Viel mehr bewegen seine wirklichen und vermeintlichen Enthüllungen politischer Geheimnisse über etablierte Medien. Kritik und Begeisterung für Assange und die Aktivitäten von Wikileaks halten sich dabei die Waage – bei Facebook hat die Organisation mittlerweile etwa eine Million Unterstützer . Wikileaks hat unterdessen angekündigt, weiterzumachen. Neue brisante Enthüllungen sollen auch amerikanische Banken betreffen. Alleine diese Drohung ließ die Aktienkurse einiger US-Geldhäuser deutlich sinken.

Unkaputtbarer Dax?

Liest man derzeit den Wirtschaftsteil einer Zeitung oder schaut auf die Finanzportale im Internet, könnte man schnell den Eindruck gewinnen, mitten in einer großen Krise zu stecken. Einige europäische Länder stehen am finanziellen Abgrund, die Stabilität des Euro scheint gefährdet, die Lage in den USA ist auch alles andere als rosig, einige Ökonomen erwarten über kurz oder lang eine hohe Inflation und viele Anleger flüchten in Gold.

Blickt man dann allerdings auf die deutsche Börse, dann sind alle diese Probleme schnell ausgeblendet. Der maßgebliche Aktienindex Dax steigt seit Monaten und nähert sich nun der 7000-Punkte-Marke. Gegenüber dem tiefen Indexstand Anfang 2009 – auf dem Höhepunkt der Finanzkrise – bedeutet das schon wieder fast eine Verdoppelung. Vor allem im letzten Quartal dieses Jahres legen die Kurse deutlich zu, das von Börsianern geliebte Wort „Jahresendrally“ macht bereits wieder die Runde.

Begründet wird die gegenwärtige Hausse mit dem Comeback der deutschen Wirtschaft. Das Bruttoinlandprodukt wächst nach dem Einbruch deutlich, die Arbeitslosenzahlen konnten wegen geschickter Nutzung der Kurzarbeiterregel in der Krise relativ konstant gehalten werden und sinken nun sogar.

Viele Privatanleger zögern wegen der schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit jedoch mit Aktienkäufen. Vielleicht werden sie Recht behalten – die beiden letzten großen Abstürze des Dax gab es jeweils, als dieser die 8000-Punkte-Grenze überschritten hatte. Und bis dahin scheint der Weg nicht mehr weit.

Soll und Haben

Früher wurden Häuser gebaut, damit sie möglichst lange halten, hundert Jahre doch wohl mindestens. Bei Frankfurts Glaspalästen, die vorwiegend mit diversen Bankinstituten verbunden werden, scheint das nicht so zu sein. Gerade mal etwa 30 Jahre alt, mussten die als „Soll und Haben“ bekannten Zwillingstürme der Deutschen Bank nun bereits aufwändig renoviert werden.

Drei Jahre hat die Aufhübschung gedauert, in diesen Tagen können die ersten Mitarbeiter des größten Geldhauses im Lande ihre Büros wieder beziehen. Der Umzug von 2800 Bankern wird allerdings noch bis Februar 2011 andauern. Doch nicht viel wird für sie mehr sein wie zuvor. Einerseits wurde bis auf den Beton nahezu alles erneuert, andererseits hat sich genau in dieser Zeit die Bankenlandschaft bekanntermaßen gewaltig verändert.

Doch gegen die in der globalen Finanzkrise verbrannten Gelder nehmen sich die 200 Millionen Euro, die in die Renovierung der Zwillingstürme gesteckt wurden, nahezu bescheiden aus. Deutlich mehr Geld investiert die Deutsche Bank nun allerdings in ein etwas skurriles Projekt: Am 15. Dezember eröffnet das Institut ausgerechnet in Amerikas Zockerhauptstadt Las Vegas das „Cosmopolitan“ – ein luxuriöses Spielkasino.

Schicksalsgemeinschaft

Die europäische Währungsunion steht vor schweren Zeiten, in mehreren Euro-Ländern ist die finanzielle Situation derzeit so angespannt, dass nur noch ein gigantischer Rettungsschirm das Konstrukt zusammen hält. Nicht unbedingt eine Situation, in der man für andere Regionen Attraktivität ausstrahlt.

Doch die Folgen der Finanzkrise und der sich verschiebenden Gleichgewichte in der Weltwirtschaft machen es möglich: Das rohstoffreiche Russland hat den Wunsch nach einer gemeinsamen Freihandelszone mit Europa geäußert. Dies machte Ministerpräsident Wladimir Putin bei seinem Besuch in Deutschland deutlich.

Er sprach von einem gemeinsamen Kontinentalmarkt ohne Zölle und sonstige Handelsschranken. Ein Vorschlag, der überwiegend auf positive Reaktionen stieß. Zu groß droht die wirtschaftliche Übermacht Asiens zu werden. Eine Zusammenarbeit in verschiedenen Branchen macht da gewiss Sinn.

Zunächst müsse Russland jedoch Mitglied der Welthandelsorganisation WTO werden, merkte Bundeskanzlerin Angela Merkel an. Und ein Umdenken stattfinden, denn in der Praxis dominierte bislang eher Zurückhaltung, wenn sich russische Unternehmen an europäischen Konzernen beteiligen wollten. Vorbehalte, die angesichts der Krisenfolgen bald nur noch schwer begründet werden können.

17 aus 45

Griechenland, Portugal und Irland sind die finanziellen Sorgenkinder Europas. Doch ihre Volkswirtschaften sind relativ klein. Anders sieht es bei Spanien aus. Auch dieses Land hat massive Probleme, ist allerdings das viertgrößte der Euro-Zone. Die Auswirkungen eines möglichen Staatsbankrotts auf die Währungsunion wären also wesentlich gravierender.

Derzeit ist Spanien kräftig bemüht, seine angeschlagene Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen. Neben einer starken Verschuldung und einer hohen Arbeitslosigkeit bereiten die iberischen Banken Probleme, vor allem die Sparkassen. Doch hier läuft mittlerweile ein wohl einmaliges Umstrukturierungsprogramm der 45 spanischen Sparkassen, von denen Caja Madrid und Bancaja zu den wichtigsten gehören.

Lediglich 17 Sparkassen sollen dabei übrig bleiben. Möglich macht dies ein staatlicher Fonds mit der Abkürzung FROB. Diese steht für „Fondo de Reestructuración Ordenada Bancaria“, die Neuordnung des spanischen Finanz- und Bankensystems. Steuergelder in zweistelliger Milliardenhöhe helfen den Instituten, Wertberichtigungen vorzunehmen und faule Kredite abzuschreiben. Wie hoch der Druck ist, zeigt, dass die umfangreichen Fusionsprozesse bereits zum Jahresende abgeschlossen sein sollen.

Zweifelhaftes Comeback

Totgesagte leben länger – dieses Sprichwort besitzt auch im Wirtschaftsleben seine Gültigkeit. In den USA passt es gerade perfekt zum Konzern General Motors. Eineinhalb Jahre nach der Insolvenz ging der Automobilhersteller nun wieder an die Börse – und wurde an der New York Stock Exchange gleich euphorisch mit Motorengeräuschen begrüßt.

Mit Hilfe von Staatsgeldern in hoher zweistelliger Milliardenhöhe konnte sich das angeschlagenen Unternehmen wieder berappeln – hat dadurch allerdings auch den Spottnamen „Government Motors“ erhalten. Der bislang größte Börsengang in der US-Geschichte erbrachte rund 23 Milliarden Dollar an Einnahmen. Doch die Rückkehr auf das Parkett sehen viele Beobachter skeptisch.

So sind an General Motors nun vor allem institutionelle Anleger beteiligt, auch aus dem Nahen Osten und China. Und das einstige amerikanische Vorzeigeunternehmen ist trotz erfolgter Sanierungsmaßnahmen und wieder steigender Umsätze noch nicht über dem Berg. Die zum Großteil weiterhin relativ traditionelle Produktpalette erscheint in Zeiten des Klimaschutzes und des zunehmenden Bedeutungsverlustes des Autos in der westlichen Welt nicht mehr zeitgemäß.