Düstere Aussichten

Streit um den Schuldenschnitt für Griechenland, Tricksereien beim G20-Gipfel in Cannes, Unternehmeraufstand gegen den italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi – die Negativmeldungen in der Finanzkrise reißen nicht ab. Mittendrin die Banken, deren Börsenkurse Achterbahn fahren, allerdings weiter mit starker Tendenz nach unten. Doch wie wird es langfristig weiter gehen mit den angeschlagen Geldhäusern?

Das Beratungsunternehmen Steria Mummert hat dazu Führungskräfte aus 100 großen Banken befragt. Herausgekommen ist der „Branchenkompass 2011 Kreditinstitute“. Das Ergebnis ist eindeutig: So schlecht war die Stimmung in der Branche seit Beginn der Befragungen im Jahr 2002 noch nie. Und 40 Prozent der Studienteilnehmer rechnen damit, dass sich Banken noch bis 2014 schlechter als die Gesamtwirtschaft entwickeln werden.

Besonders pessimistisch fällt die Prognose dabei unter Instituten mit dem Schwerpunkt im Firmenkundengeschäft aus. Mehr als die Hälfte der befragten Entscheider rechnen hier weiter mit einer unterdurchschnittlichen Entwicklung, heißt es in der Studie. Kritik wird dabei vor allem an der weiter gestiegenen Regulierung geübt, besonders die Anforderungen von Basel III und die Umsetzung der Beratungsprotokolle bereiten vielen Banken Probleme.

Volkes Stimme

Es hätte alles so schön sein können: Nach langen Diskussionen um eine Lösung für das hoch verschuldete Griechenland einigten sich die Politiker auf einen Schuldenschnitt von 50 Prozent. Und auch die davon finanziell stark betroffenen Banken signalisierten mehrheitlich ihre Zustimmung. Die Märkte zeigten sich erfreut, die Börsenkurse kletterten.

Doch dann kam Georgios Papandreou. Der griechische Premierminister überraschte mit der Aussage, sein Volk abstimmen lassen zu wollen. Worum es in einem solchen Referendum überhaupt gehen soll, blieb nicht nur im Detail bislang noch völlig unklar. Vermutlich werden die Sparpakete ein Thema sein. Doch der Aufschrei war trotzdem heftig.

Ökonomen erwarten beim einem „Nein“ des griechischen Volkes bereits den Untergang des Abendlandes, sprich der Euro-Währungsunion. Die kurz zuvor noch kräftig erholten Börsenkurse drehten sofort wieder in Richtung Keller. Doch es gibt inzwischen auch viele Meinungen, die das für Dezember geplante griechische Referendum befürworten.

Schließlich wurden die Menschen in diesem Land bislang noch gar nicht gefragt. Und wer kann schon vorhersagen, wie sie reagieren werden. Die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt, dass der Sinn von Sparmaßnahmen vom Volk meist besser nachvollzogen wird als von den Politikern gedacht. Und jüngste Umfragen ergaben bereits, dass mehr als zwei Drittel der Griechen den Euro behalten wollen.

50 Prozent

Die Wirtschaftsteile der heutigen Tageszeitungen werden keinen Preis für Aktualität gewinnen, denn zu vieles ist heute Nacht beim Krisentreffen der Euro-Staaten passiert. Vor allem ging es um die Rettung Griechenlands. Trotz massiver Sparanstrengungen ist das hoch verschuldete Land zuletzt nicht mehr von alleine auf die Beine gekommen, die Situation wurde zu einer Gefahr für die europäische Währungsunion.

Nun steht der Beschluss fest – ein Schuldenschnitt. Griechenland werden 50 Prozent seiner Verbindlichkeiten erlassen. Von vielen Ökonomen schon lange gefordert, von vielen Experten aber auch eine gefürchtete Maßnahme. Denn bezahlen müssen dies vor allem die Banken, die in griechische Staatsanleihen investiert haben. Die deutschen Institute kommen jedoch relativ glimpflich davon.

So hatte die Deutsche Bank bereits im Vorfeld die Hälfte ihres Engagements in griechische Staatsanleihen abgeschrieben. Andere deutsche Geldhäuser betonten, dass sie diese Verluste ohne Staatshilfe bewältigen können. Insgesamt war eine große Erleichterung an den Märkten spürbar: Der Dax legte um fünf Prozent zu, Bankentitel gewannen sogar zweistellig. Doch vorbei ist die Euro-Krise nach dem Schuldenschnitt noch lange nicht.

Harsche Proteste

Josef Ackermann ist heftige Kritik gewohnt. Vieles davon prallt an ihm ab, vieles sitzt der Vorstandschef der Deutschen Bank einfach aus. Doch in einigen Fällen wird auch mal eine schnelle Reaktion notwendig. So in diesen Tagen nach der medienwirksamen Kritik der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch.

Diese hatte in ihrer Studie „Die Hungermacher – wie Deutsche Bank, Goldman Sachs & Co. auf Kosten der Ärmsten mit Lebensmitteln spekulieren“ dem größten deutschen Geldhaus vorgeworfen, sich mit Rohstoffderivaten an Nahrungsmittelspekulationen zu beteiligen, dadurch für die Erhöhung der Lebensmittelpreise und in der Folge auch für Hungersnöte in vielen Ländern mitverantwortlich zu sein.

Mehr als 10.000 Personen protestierten in kurzer Zeit per Protestmail gegen die Deutsche Bank. Diese musste rasch reagieren, kündigte eine Prüfung und den Ausstieg aus der Spekulation mit Nahrungsmitteln an – falls diese denn festgestellt werde. „Kein Geschäft ist es wert, den guten Ruf der Deutschen Bank aufs Spiel zu setzen“, hieß es in einer Mitteilung. Man darf gespannt sein, was die Prüfung bringen wird. Geht es doch nicht nur um den Ruf eines Finanzinstituts, sondern vielmehr um das Überleben von Menschen.

Getrennte Wege

Der Willy-Brandt-Platz in der Bankenstadt Frankfurt am Main ist besetzt. Vor dem Gebäude der Europäischen Zentralbank (EZB) campen seit Samstag diverse Teilnehmer der „Occupy“-Protestbewegung. Diese demonstrieren gegen die Auswüchse des Spielcasino-Kapitalismus, haben einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung, bestechen aber bislang noch nicht durch besonders konkrete Forderungen.

Die Politik ist hier ausnahmsweise schon weiter. Immer stärker wurde in den vergangenen Tagen der Appell, die Geschäftsbanken von den Investmentbanken zu trennen. Dadurch sollen mögliche Finanzkrisen in Zukunft vermieden beziehungsweise abgemildert und das Geld der Sparer besser geschützt werden. So ist zum Beispiel das normale Geschäft der Deutschen Bank noch immer mit dem risikoreichen Investmentbanking verknüpft.

Das Modell abgetrennter Investmentbanken gab es lange Zeit in den USA. Dort wurde es allerdings in den 90er Jahren per Gesetz abgeschafft – die Folgen sind bekannt. Und immer deutlicher wird auch die derzeitige Krise des Investmentbankings: So vermeldete Goldman Sachs jüngst mit einem Minus von über 400 Millionen Dollar den zweiten Quartalsverlust in der Geschichte des Bankhauses.

Auf dem Prüfstand

Die Abwertung der Kreditwürdigkeit ganzer Länder ist ein großes Medienthema, das seinen Höhepunkt sicherlich in der Zurückstufung der USA wegen ihrer Schuldenproblematik hatte. Man könnte fast meinen, dass damit ein Tabu gebrochen wurde, dadurch aber auch die Abwertungen an den Finanzmärkten etwas von ihrem Schrecken verloren haben.

Vielleicht war deswegen auch die Aufregung nicht ganz so groß, als nun die Deutsche Bank ins Visier der Ratingagenturen geriet. Die Finanzexperten der Agentur Fitch drohten mit einer Zurückstufung des größten deutschen Geldhauses. Der Grund: Die Deutsche Bank besitze zu viele Staatsanleihen in Krisenländern wie Griechenland oder Italien.

Vorstandschef Josef Ackermann und sein Institut haben dabei prominente Gesellschaft: Auch die europäischen Wettbewerber Barclays, BNP Paribas, Crédit Agricole, Crédit Suisse und Société Générale sowie die US-Großbanken Morgan Stanley, Goldman Sachs und Bank of America befinden sich laut Fitch auf dem Prüfstand. Nicht wenige Experten sagen jedoch, dass eine leichte Herabstufung für die Banken quasi folgenlos bleiben dürfte.

Die große Stille

Viele Leser des „Handelsblatts“ trauten heute ihren Augen nicht. Es geht um das Interview mit dem Chef der französischen Großbank BNP Paribas, Baudouin Prot. Auf die erste Frage: „Krisenstimmung überall in Europa, wie sieht die Lage an den Finanzmärkten derzeit wirklich aus?“ gibt es keine Antwort. Das geht fast 30 Fragen so weiter bis zur letzten Frage: „Wann werden die Zeiten wieder besser?“ Auch hier nur leere Zeilen.

Doch wer hier einen technischen Fehler beim Druck vermutet, liegt falsch. Das „Handelsblatt“ hat dieses Interview ohne Antworten bewusst so abgedruckt. Bereits vor einem Monat wurde das Gespräch mit Prot geführt und dieser gab damals auch Antworten auf alle Fragen. Dann jedoch zog er diese nach und nach zurück, zum Schluss das komplette Interview.

Aus Protest hat die Zeitung die Fragen nun trotzdem abgedruckt, auch um die Sprachlosigkeit einiger Banker in der Finanzkrise zu dokumentieren. Eine Maßnahme, die ihr Ziel nicht verfehlt, blickt man in die Kommentarspalten zu dem einseitigen Interview: „Ausgesprochen vielsagend“ heißt es da. Doch vielleicht hätten die Handelsblatt-Macher sich besser zu dem Entschluss durchringen sollen, die ursprünglich einmal gegebenen Antworten einfach trotzdem abzudrucken?

Theorie und Praxis

Schon die Bezeichnung hört sich kompliziert an: „Preis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank in Gedenken an Alfred Nobel“. Im Volksmund und auch von den Medien wird die wichtigste Auszeichnung für Ökonomen gerne „Wirtschaftsnobelpreis“ genannt. Dabei handelt es sich nicht um einen Nobelpreis im eigentlichen Sinne, wie er seit 1901 für Mathematik, Medizin oder Literatur vergeben wird.

Denn der Preis ist erst 1969 dazugekommen, also mehr als ein halbes Jahrhundert später, doch er ist beinahe genauso prestigeträchtig und zudem mit der gleichen Summe wie die offiziellen Nobelpreise dotiert – mit mehr als einer Millionen Euro. Darüber freuen sich in diesem Jahr zwei amerikanische Professoren: Thomas Sargent und Christopher Sims.

Ausgezeichnet werden die beiden Ökonomen für ihre empirischen Untersuchungen in der Erforschung von Zusammenhängen zwischen Wirtschaftspolitik und makroökonomischen Variablen wie Inflation, Beschäftigung oder Investitionen. Klassische Volkswirtschaftslehre also. Doch auch deren Modelle helfen in der Wirtschaftskrise derzeit nicht viel weiter – denn die Praxis ist noch komplizierter als alle Theorie.

Neue Bewegung

Seit etwa vier Jahren tobt nun schon die Finanzkrise. Von der Weltbevölkerung zunächst weitgehend unbemerkt, nahm sie bereits 2007 ihren Lauf als amerikanische Immobilienkrise, breitete sich dann Ende 2008 auf die Finanzwirtschaft, die Banken sowie die Realwirtschaft aus und führte durch die massiven staatlichen Rettungsprogramme schließlich zur aktuellen Verschuldungskrise in vielen Ländern.

Menschen verloren eine Menge Geld und teilweise auch ihre Arbeitsplätze, doch bis auf wenige Ausnahmen, zum Beispiel in Griechenland, blieb es bislang auf den Straßen erstaunlich ruhig. In den USA formiert sich nun allerding ein Protest, der das Zeug zu einer neuen politischen Bewegung haben könnte: „Occupy Wall Street“ heißt das Motto einer immer größer werdenden Gruppe von Demonstranten.

Diese haben einen Platz nahe dem US-Börsenzentrum Wall Street besetzt, auch in anderen amerikanischen Städten wächst die Bewegung, die vor allem die soziale Ungleichheit kritisiert. Unterstützt wird „Occupy Wall Street“ von so prominenten Namen wie dem Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz oder der Spekulantenlegende George Soros. Die nächsten Tage dürften entscheiden, ob diese Bewegung wieder verpufft oder sich in den USA und anderen Ländern etablieren kann.

Fette Steuern

Viel Spott gab es vor ein paar Wochen für die hierzulande geltenden unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze für den Verzehr einer Currywurst – abhängig davon, ob die Mahlzeit im Stehen oder im Sitzen eingenommen wurde. Sieben oder aber auch 19 Prozent Umsatzsteuer werden dann fällig. Unklar ist, was passiert, wenn der Gast einen Teil seines Imbisses stehend und den Rest dann sitzend verzehrt.

Typisch deutscher Bürokratismus – möchte man meinen, doch unser Nachbarland Dänemark steht uns hier in nichts nach. Seit Anfang des Monats gibt es dort eine Fettsteuer. Das Argument, ungesunde Nahrung aus Gesundheitsgründen zusätzlich zu besteuern, mag ja noch gelten, doch die Umsetzung ist ähnlich kompliziert, wie man es aus Deutschland kennt.

Pro Kilogramm ungesättigter Fettsäure soll der dänische Verbraucher nun 16 Kronen Steuern bezahlen, das sind umgerechnet etwas mehr als zwei Euro. Für jedes einzelne Nahrungsmittel muss der Fettgehalt und der dann fällige Steuerbetrag berechnet werden. Die Industrieverbände stöhnen. Und die Verbraucher kaufen dadurch nicht weniger fetthaltige Waren – ganz im Gegenteil, vor Einführung der Steuer deckten sie sich nun erst recht mit ungesunden Nahrungsmitteln ein.