04.10.2012 – Jedes zweite Beratungsprotokoll bei deutschen Banken, Sparkassen und Volksbanken weist Fehler auf und muss manuell nachbearbeitet werden. Der Grund: Viele Institute betrachten die Dokumente eher als lästige Pflicht denn willkommene Kür.
Die Protokolle werden häufig nicht mithilfe integrierter IT-Systeme erstellt und sind vom eigentlichen Beratungsprozess abgekoppelt. Dieses isolierte Vorgehen kostet Zeit und begünstigt Fehler. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Marktbeobachtung von NIELSEN+PARTNER.
„Viele Banken versuchen, die regulatorischen Anforderungen mit möglichst wenig Aufwand zu erfüllen“, sagt Gerd Klaasen, Geschäftsführer von NIELSEN+PARTNER. Oft werden die für das Beratungsprotokoll notwendigen Daten auf Papier oder beschreibbaren PDF-Dokumenten erhoben. „Dieses Vorgehen ist aber nur auf den ersten Blick der einfachste Weg“, warnt Klaasen. Denn die anschließende Übertragung der Daten in die IT-Systeme nimmt nicht nur wertvolle Arbeitszeit der Berater in Anspruch, die gewinnbringend in den Vertrieb investiert werden könnte, sondern ist auch eine der häufigsten Fehlerquellen und bringt erhebliche Probleme mit der BaFin mit sich.
Vertriebspotenziale bleiben ungenutzt
Noch gravierender wirkt sich nach Ansicht des N+P-Experten ein weiterer Nachteil der fehlenden Integration in die IT-Landschaft der Institute aus. „Die Informationen aus den Beratungsgesprächen – verknüpft mit Informationen zu späteren Anlageentscheidungen – liefern wichtige Erkenntnisse über Präferenzen und Anlageverhaltensmuster der Kunden. Statt diese Informationen systematisch auszuwerten und für den Vertrieb sowie das Controlling zu nutzen, werden die Daten jedoch zu oft in isolierten IT-Systemen der Banken abgelegt. Damit steht das darin enthaltende Wissen über den Kunden für die Beratung nicht zur Verfügung.“
Klaasen empfiehlt daher einen IT-gestützten, standardisierten Prozess zur Erhebung aller notwendigen Daten: „Dabei können die Antworten zu allen Fragen – sowohl denen aus dem WpHG-Bogen, als auch zur aktuellen Lebenssituation und zur Risikobereitschaft – erfasst werden. So lassen sich automatisch standardisierte Anlagevorschläge erstellen, die im Gespräch mit dem Kunden direkt abgestimmt und im Rahmen des individuellen Risikoprofils angepasst werden.“
Auch Anlagegrenzverletzungen durch sich ständig ändernde Kurse können durch ein gutes Alerting ständig festgestellt und zur Absicherung des Kunden und zu Vertriebszwecken genutzt werden. „Perspektivisch können die IT-Systeme, in denen Informationen aus den Beratungsgesprächen erfasst und ausgewertet werden, sogar in das Online-Banking integriert werden und somit einen zusätzlichen Vertriebskanal für das Anlagegeschäft öffnen“, prognostiziert Klaasen.
Experte zieht ernüchternde Bilanz
Trotz dieser großen Vorteile nutzen nur wenige Institute einen standardisierten, IT-gestützten Prozess zur Erstellung der Beratungsprotokolle in der Praxis. Für Gerd Klaasen fällt das Urteil nach 1.000 Tagen deshalb ernüchternd aus: „Die Institute haben ihre Pflicht erfüllt, die sich bietenden Potenziale für die Kunden und für sich selbst aber nicht erkannt. Es ist daher höchste Zeit, dass die Banken den Anlegerschutz nicht nur als lästige Pflicht verstehen, sondern als Chance für sich und die Kunden. Ein voll integrierter Beratungsprozess ist der einzig mögliche Weg“, so der Experte.
Hintergrund
Erhöhter Schutz der Anleger und Verbesserung der Beratungsleistung – mit diesen Zielen wurde am 1. Januar 2010 das Beratungsprotokoll für die Wertpapierberatung deutscher Kreditinstitute eingeführt.
Autor(en): Bankmagazin
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de